
Ende 2020 – Lockdown
Die Gastronomie stirbt auf Raten. Ich spreche nur für diese Branche, denn da kenn ich mich aus, bei anderen sieht es genauso oder schlechter aus.
Und auch unsere Branche ist natürlich nicht homogen, bei vielen Kollegen mit Hotels / Veranstaltungsschwerpunkt / städtischer Lage etc ist die Lage wieder etwas anders.
Wir als Landgastronomie in Stadtnähe „jammern auf hohem Niveau“ – wir haben eine tolle Stammkundschaft, die uns nach Kräften unterstützt, vielen Dank dafür!
Mit unseren coronabedingten Ideen (Webshop mit Fertigessen, geänderte Öffnungszeiten, Abholspeisekarte mit Onlinebestellfunktion) schaffen wir es einen Teil unserer normalen Umsätze zu generieren und zusammen mit staatlichen Hilfen wie Kurzarbeitergeld werden wir die Krise überstehen, das ist sicher.
In 2020 hatten wir nun 4 komplette Monate unser Haus geschlossen. Januar und Februar sind jedes Jahr die schwächsten Monate (darum hatten wir im Februar auch für eine große Modernisierungsmassnahme geschlossen) und in den geöffneten Sommermonaten konnten wir zwar arbeiten, hatten aber durch die Abstandsregeln und die Hygienemassnahmen hohe (Personal-)Kosten und im Innenbereich auch massive Umsatzeinbußen.
Alles in allem – ein anstrengendes, nervlich aufreibendes, verlorenes Jahr, dass vielen Mitarbeitern in der Gastro den Job und vielen Selbständigen Ihren Betrieb nehmen wird.
Wir haben im Frühjahr die Soforthilfe in Anspruch genommen und nach 4 Monaten auf Heller und Pfennig unaufgefordert zurück gezahlt.
Wir nehmen auch jetzt die Novemberhilfe, die ja in der Kritik steht, in Anspruch und sind dankbar dafür. Wir und auch kein anderer Betrieb stößt sich an dieser umsatzbasierten Unterstützung gesund so wie es in den Medien zum Teil zu lesen ist, nicht nach diesem Jahr, das kann ich Euch versichern!
Und warum müssen wir eigentlich Hilfen in Anspruch nehmen und dürfen unser Geld nicht selbständig verdienen, so wie es unser größter Wunsch wäre?
Die Gastro und Kulturbranche hat nun wieder seit fast 8 Wochen geschlossen – seitdem gibt es keine nennenswerte Änderung an den Zahlen, im Moment steigt die Inzidenz sogar.
Verwunderlich? Nein!!
Wir hatten gute Hygienekonzepte. Die Hygiene in der Gastro ist sowieso auf einem hohen Niveau, auch wenn es wie überall mal schwarze Schafe gibt.
Wir hatten Verantwortung für unsere Mitarbeiter und Gäste, die wir ernst genommen haben, ganz einfach weil wir darauf angewiesen sind dass die Gäste auch ein zweites und drittes Mal wiederkommen und die Mitarbeiter gesund bleiben.
Wir hatten strenge Regeln bezüglich der Kontakte und der Kontaktverfolgung, die wir auch kontrolliert und durchgesetzt haben. Man darf stark bezweifeln ob diese Kontrolle bei geselligen Kontakten im Moment auch stattfindet.
Wir haben viel Zeit, Geld und Mühe investiert in Datenspeicherung, Mitarbeiterschulungen, Einhaltung der Abstandsregeln, digitale Speisekarten, Desinfektion, etc…. Und ich kenne keinen einzigen Kollegen, bei dem eine Infektion oder der Verdacht einer Infektion stattgefunden hätte.
Werden durch die Schließung von Gastro und Kultur Kontakte verringert, wie es dringend notwendig ist? Nein! Die Kontakte werden nur in unkontrollierbare Bereiche verlagert, denn der Mensch ist ein Herdentier und trifft sich mit seinen Liebsten, egal wo.
Trotzdem besteht für uns nicht die geringste Hoffnung, dass wir bald wieder öffnen dürfen. Wir sind ein Bauernopfer. Wir haben „nur“ 2,2 Millionen Beschäftigte und machen einen winzigen Teil des Bruttoinlandsprodukts aus, darum tut es am wenigsten weh wenn man auf uns verzichtet.
Auch die umsatzbasierte Novemberhilfe ist aufgrund der niedrigen Umsätze in der Gastronomie für die Regierung zu verschmerzen.
Realistisch betrachtet hoffen wir darauf, an Ostern wieder für Euch da zu sein und wir hoffen darauf, bis dahin auch noch ein funktionierendes Team zu haben – denn Gastro ist wie Fussball, unsere Leistung ist eine Teamleistung und wenn monatelang nicht zusammen trainiert wird kann man nicht gleich wieder Bundesliga spielen.
Zudem kann man es auch keinem dieser tollen Gastromitarbeiter mit tausend Talenten, Soft Skills und Fähigkeiten wie Multitasking und Stressresistenz verübeln, wenn Sie in dieser Zeit der schönsten Branche der Welt den Rücken kehren uns sich Ihr Brot woanders verdienen – gefragt sind Gastros allemal.
Wir für unseren Teil treten jetzt die Flucht nach vorne an.
In der Planung steht eine große Modernisierungsmassnahme im Aussenbereich, die uns in den Sommermonaten ein einigermaßen wetterunabhängiges Geschäft sichern soll.
Außerdem werden wir am und im Haus Änderungen vornehmen, die uns dabei helfen die Abstandsregeln einzuhalten und trotzdem die Belegung zu generieren, die wir für wirtschaftliches Arbeiten benötigen – denn dass uns die Abstandsregeln noch ein paar Monate oder Jahre bleiben ist für mich sicher.
Wir werden viel Geld in die Hand nehmen und ein wirtschaftliches Risiko eingehen – in der Hoffnung, dass Deutschland MIT dem Virus leben lernt, Bereiche geöffnet werden die die Hygieneregeln einhalten (auch wenn das eine geringere Belegung bedeutet) und solche geschlossen werden, wo das eben nicht klappt und wir somit das Infektionsgeschehen ohne das Opfern ganzer Wirtschaftszweige unter Kontrolle behalten.
2021 wird nicht sehr viel einfacher werden als 2020 – Wir zählen auf Eure Unterstützung!
#wirschaffendas #wirliebentrotzdemwaswirtun #teamreck
Doris Reck-Hartmann