Doris Reck-Hartmann bei Vorbereitungen in der Küche

Frühling 2021

31. Mai 2021

Vorab: Ich spreche für die Gastronomie, natürlich sind auch andere Branchen genauso oder noch mehr betroffen. Und: Wir sind keine Schwurbler. Wir nehmen die Pandemie ernst und unsere sowie Eure Gesundheit steht bei uns im Haus an erster Stelle.

Warum steht Ihr Gastronomen nicht auf? Warum haltet Ihr nicht zusammen und organisiert Euren Widerstand? Warum lasst Ihr Euch diese Ungleichbehandlung gefallen?

…das werden wir im Moment oft gefragt…

Ja, warum steht die große Branche Gastronomie mit Ihren 2,2 Millionen Beschäftigten nicht zusammen und wehrt sich gegen das Sonderopfer, welches wir für andere Branchen bringen? Warum machen wir nicht größeren Druck gegen die lange Zwangsschließung, wir könnten doch alle Anforderungen erfüllen, die auch andere geöffnete Branchen erfüllen können?

Warum wird von der Politik die Tatsache ignoriert, dass die Zahlen im November und Dezember im „Lockdown Light“ in die Höhe geschnellt sind?

Wir können Hygienemaßnahmen zuverlässig umsetzen, wir können soziale Treffen sicher organisieren und auch die Kontaktverfolgung garantieren.

Warum fällt anscheinend keinem auf, dass wir nicht das Problem, sondern Teil der Lösung sind?

Ich habe mit vielen Kollegen gesprochen und bin zu der Erkenntnis gelangt:

Wir sind müde. Wir sind ausgelaugt. Wir strampeln seit einem ganzen Jahr und versuchen das Beste draus zu machen, aber irgendwann wird auch der größte Optimist zum Realisten.

Wir (und auch die Kultur und Freizeitbranche) sind Opfer einer politischen Entscheidung, damit andere Branchen öffnen können. Das Infektionsgeschehen wird nicht detailliert betrachtet, es werden ganze Wirtschaftszweige mit dem Vorschlaghammer der Zwangsschließung bedacht.

Wir haben nun den sechsten Monat (seit 12 Monaten) unser Kerngeschäft geschlossen und die Kollegen unter uns, die Ihr Geschäft in Zukunft noch sehen, hangeln sich mit mega Ideen wie To Go, Kochboxen, Webshops, virtuellen Dinnern und Live Online Kochshows von Monat zu Monat.

Viele (wir auch) investieren in die Zukunft, bringen Ihre Betriebe auf Vordermann und gehen so ein riesiges finanzielles Risiko ein, einfach weil Ihr Herz und Ihre Zukunft an diesen Läden hängt.

Andere, die beispielsweise ein gewisses Alter erreicht haben, bei denen es sowieso schon Probleme im Betrieb gab oder die vielleicht auch einfach aufgrund Ihrer Lage oder der Struktur Ihres Betriebes nicht in der Lage sind Alternativlösungen zu finden, sterben auf Raten. Lebenserhaltende Maßnahmen wie die verschiedenen Überbrückungshilfen sind gut gemeint, aber viele Betriebe fallen durchs Raster und auch von Lebenshaltungskosten für Unternehmer ist nie die Rede.

Wir sind keine Querdenker – der größte Teil der Gastronomen versteht die Maßnahmen. Es müssen Kontakte reduziert werden und natürlich finden bei uns Kontakte statt.

Aber: Es kann nicht sein, dass bei uns sichere Kontakte nicht stattfinden und an unkontrollierbare Orte verlagert werden, während an ganz vielen Orten die Maskenpflicht als Maßnahme völlig ausreichend ist.

Wäre es nicht viel sinnvoller, Schließungen an Hygienekonzepte zu koppeln anstatt an kompletten Branchen und Bereichen?

Wir Gastronomen, Köche, Servicekräfte, Hoteliers, Barkeeper usw sind 100 Prozent Menschen und leben und lieben unsere Arbeit!

Wir sind alle Workaholics, sonst könnten wir diese Jobs gar nicht machen.

Uns wird gerade die Energie ausgesaugt. Viele von uns sind nicht wieder zu erkennen und dümpeln in Kurzarbeit, Arbeitslosigkeit oder Ihrem Alternativgeschäft vor sich hin, ohne von der Politik irgendeine Perspektive auf Ihren geliebten Job zu bekommen.

Das macht mürbe.

Wir warten auf eine kleine Mini Perspektive. Wir werden viele, viele Vorgaben erfüllen müssen, die allesamt Vorarbeit und Investitionen erfordern, also bitte gebt uns ein kleines bisschen Planungssicherheit!

Lasst uns arbeiten! Lasst uns unsere Mitarbeiter zurückholen, bevor die in andere Branchen abgewandert sind! Lasst uns unseren Lebensunterhalt mit dem verdienen, was uns erfüllt! Und wenn Öffnungen im Raum stehen, dann lasst uns unsere Betriebe bitte so öffnen, dass es auch wirtschaftlich sinnvoll ist.

Doris Reck-Hartmann

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