
Sommer 2021 – Gastronomie nach dem Lockdown
Sechseinhalb Monate geschlossen – von November 2020 bis Mitte Mai 2021 – und nun?
Ende Oktober hat die Regierung den „Lockdown Light“ beschlossen. Ohne jede Grundlage in Bezug auf Hygienekonzepte oder Ansteckungsgefahr wurden ganze Branchen ausgeknipst. Was zuerst für 4 Wochen angesetzt war, hat am Ende mehr als ein halbes Jahr gedauert.
Wir haben Woche für Woche auf ein Zeichen gewartet, haben Woche für Woche ein bisschen mehr Mut verloren und uns irgendwann ertappt, schon gar nicht mehr an eine Öffnung zu glauben.
Die wichtigen Umsatzbringer Weihnachtszeit, Jahreswechsel, Ostern etc sind verstrichen und für die Gastronomie unwiederbringlich verloren.
Vollmundig angekündigte Hilfen sind durchaus geflossen. Im November und Dezember die völlig aus der Luft gegriffene umsatzbasierte Gieskannenhilfe, später dann die detailliertere und auch sehr viel sparsamere Überbrückungshilfe 3.
Viele Betriebe haben inzwischen den Kampf aufgegeben, konnten die Hilfen nicht beantragen oder haben aus verschiedenen Gründen nichts bekommen. Wer sich auf die Überbrückungshilfe 3 verlassen hat musste schnell feststellen, dass die zum Erhalt des Betriebes bei weitem nicht ausreicht.
Bei manchen kamen persönliche Gründe wie das Alter, Investitionsstau und fehlender Nachwuchs hinzu, bei anderen hat der Personalmangel das Zünglein an der Waage ausgemacht.
Nach zwei Monaten Öffnung unter Corona Auflagen können wir folgendes, nicht besonders überraschendes Fazit ziehen:
Ohne Außenbereich oder bei schlechtem Wetter lässt sich unter Einhaltung der Regeln kaum wirtschaftlich arbeiten. Viele Menschen sind auch trotz Abstand und Lüftung noch nicht bereit, die Innengastronomie zu nutzen und so bleiben wir auf vielen Reservierungen sitzen, weil spontan entschieden wird „Wir sind zwar doppelt geimpft, aber drinnen wollen wir dann doch noch nicht sitzen“ – unter Umständen können diese Plätze dann nach erfolgten Absagen an andere Gäste auch nicht mehr belegt werden.
Das Arbeiten mit Maske über viele Stunden hinweg sogar im Außenbereich bringt die Mitarbeiter an Ihre Grenzen.
Das Warten auf die Impfung ohne Priorisierung trotz unserer vielen Gästekontakte zermürbt und hat uns wie schon der Lockdown Light unseren Stellenwert in der Gesellschaft verdeutlicht.
Die Kontaktverfolgung – sofern man Sie als Gastgeber verantwortungsvoll durchführt und nicht komplett der Selbstverantwortung des Gastes überlässt – bindet wahnsinnig viel Arbeitskraft, die an anderer Stelle fehlt und natürlich bezahlt werden muss.
Die Betriebe, die jetzt wieder offen haben:
- können nicht nur Gastgeber und Koch, sondern auch Betriebswirtschaft, da Sie in den vergangenen Jahren so gewirtschaftet haben, dass Sie die Krise bisher trotz der mageren Überbrückungshilfe 3 überstehen konnten.
- waren kreativ, offen für Neues, fleißig und erfinderisch. Sie haben im Lockdown Ihr Geschäft neu erfunden, komplett neue Geschäftsideen und -zweige aufgebaut und so Ihren Mitarbeitern die Jobs gesichert. Sie sind im Gespräch geblieben und haben die Gästebeziehung gepflegt, haben kommuniziert und Zuversicht verbreitet und das trotz der enormen Belastung durch die Zwangsschließung.
- haben offensichtlich im Bereich Mitarbeiterführung und auch beim Thema faire Bezahlung ganze Arbeit geleistet, da Ihre vielseitig begabten, flexiblen und motivierten Mitarbeiter nach monatelanger Kurzarbeit (bei den Minijobbern sogar monatelange Pause komplett ohne Entschädigung) eben NICHT in andere Branchen abgewandert sind.
- und sogar die Zeit genutzt und investiert haben, sind mutig, vorausschauend und glauben an Ihre beste Branche der Welt. Vorwürfe in Bezug auf „da sind die Hilfen geflossen“ sind unfair und verletzend, denn hier wird von engagierten Unternehmern in die Region, in Arbeitsplätze und selbstbestimmte Zukunft investiert.
- und die an Ihren Ruhetagen und Ihrem Betriebsurlaub festhalten, sind nicht „reich“, sondern haben verstanden, dass Höchstleistung nur von einem gesunden, intaktem Team erreicht werden kann. Zudem halten Sie sich an die Bestimmungen des Arbeitszeitgesetzes und gewähren Ihren Mitarbeitern nach der Kurzarbeit Ihren wohlverdienten Urlaub.
- sind keine Bittsteller an die Gesellschaft. Wir sind Dienstleister und mit ganzem Herzen in der schönsten Branche der Welt tätig. Aber wir haben Öffnungszeiten, bestimmte Kapazitäten und Regeln, an die sich Gäste halten müssen, auch wenn „wir froh sein können, dass wieder jemand kommt“.
Corona Regeln werden von verantwortungsbewussten Betrieben eingehalten, aber nicht erfunden, um den Gast zu ärgern. Das enorme Anspruchsdenken gepaart mit Verweigerung gegenüber den uns auferlegten Corona Bestimmungen steht an der Tagesordnung und so manche Diskussion ist unnötig und raubt Gastgebern und Mitarbeitern die Lust an der schönsten Branche der Welt.
Wir sind gern weiter für Euch da und hoffen auf einen „normalen“ Herbst und Winter. Es bleibt spannend.
Doris Reck-Hartmann