Die Gastronomie - ein sinkendes Schiff?
Die schönste Branche der Welt kommt seit Jahren nicht zur Ruhe. Nach den langen Corona Schließungen und den Einschränkungen, mit denen wir danach noch monatelang kämpfen mussten sind die letzten Monate geprägt von Preissteigerungen und der Rückkehr zu 19% Mehrwertsteuer.
Natürlich ist dieser Beitrag - wie alle anderen zuvor auch - sehr subjektiv und trifft nicht auf alle Facetten unserer so vielfältigen Branche zu.
Im vorherigen Blog bin ich schon auf diese Schwierigkeiten eingegangen. Es ist ja oft noch so dass wir Gastronomen uns anhören müssen dass wir die Mehrwertsteuersenkung zu eigenen Gunsten eingesteckt hätten und jetzt ungerechtfertigterweise die gestiegene Steuer einfach wieder oben drauf schlagen. Die Hintergründe dazu habe ich schon mal erklärt, wer mag gerne nachlesen in den vorherigen Beiträgen. Vielleicht versteht ihr uns dann etwas besser.
Heute möchte ich über eine andere Tatsache sprechen, die mich umtreibt.
Unsere Branche hat so wie es im Moment aussieht keine Zukunft. Wir befinden uns auf einem sinkenden Schiff. Ein Jahr nach dem anderen gestaltet sich schwieriger als das zuvor. Die Vielfalt in unserer Branche stirbt, es schließen Traditionsbetriebe die jahrzehntelang erfolgreich bewirtschaftet wurden. Franchise Unternehmen und Imbisse schießen aus dem Boden, oft schließen die aber genauso schnell wieder wie sie gekommen sind. Also ist auch das kein Erfolgsgarant.
Die immensen Kostensteigerungen sind ein Grund, der viele zur Aufgabe zwingt. Die gestiegenen Preise können und / oder wollen unsere Gäste nicht mitmachen, es kommt zu einem geringeren Geschäftsaufkommen, so dass die Bilanz noch mehr leidet.
Nach 2020 und 2021 waren durch die fehlenden Umsätze die Steuervorauszahlungen gering, so dass in diesem schwierigen Jahr auch noch große Nachzahlungen auf so manchen Wirt zukommen. Wenn dann die Liquidität fehlt wird es schwierig, denn das Finanzamt wartet nicht.
Die Schlussabrechnung der Corona Hilfe sollte längst von allen Betrieben eingereicht sein, aber noch immer fehlen etwa 1/3 der Abrechnungen. Im Herbst ist der letzte Stichtag, bei fehlender Schlussabrechnung erfolgt eine vollständige Rückzahlung. Auch das wird noch ein böses Erwachen für einige Gastronomen geben.
Dieser Liquiditätsengpass aus den verschiedensten Gründen wird in diesem Jahr noch den ein oder anderen zur Aufgabe zwingen, da auch die Banken nicht gerade großzügig sind wenn es um kurzfristige Liquiditätskredite für die Gastronomie geht.
Natürlich kann man sagen: selbst schuld, das sind Geschäftsleute, die müssen doch ihre Zahlen im Griff haben! Ja, das kann man zurecht behaupten. Aber diese Betriebsinhaber haben seit 2020 mit den Problemen im Tagesgeschäft so viel um die Ohren, dass diese zugegebenermaßen immens wichtigen Dinge etwas ins Hintertreffen geraten.
Wirte sind so gut wie nie ausgebildet in BWL oder Buchhaltung und auf die Arbeit eines guten Steuerberaters angewiesen. Wenn es da hapert wird es schwer, vor allem wenn das Schiff schon seit Jahren nicht mehr so richtig auf Kurs ist.
Bereits 2023 sind die Insolvenzen in der Gastronomie um 35% gestiegen und auch 2024 wird eine neue Steigerung von wieder 30% erwartet. Dazu kommt, dass etwa die zehnfache Anzahl an Gastronomiebetrieben, die schließen, keine Insolvenz durchlaufen sondern einfach still und heimlich nicht mehr aufmachen. (Quelle: Gastgewerbe-Magazin)
Die fehlende Aussicht auf Nachfolger und die schier unlösbaren Personalprobleme tragen Ihr übriges dazu bei, die Entscheidung Richtung Geschäftsaufgabe zu treiben.
Große deutsche Firmen (zB die deutsche Bahn) werben aggressiv um Gastronomiemitarbeiter. Unsere belastbaren, flexiblen Mitarbeiter sind sehr umworben und wenn wir hier nicht mit sehr guten Löhnen und fairen Arbeitsbedingungen punkten stehen wir bald alleine da.
Aber auch das muss im Endeffekt natürlich der Gast über den Preis bezahlen und wir könnten den Text hier von vorne starten.
Alles in allem sehen wir seit fast 4 Jahren wie eine Branche ausgedünnt wird. Die Betriebe, die inhabergeführt sind und sich durchsetzen können werden weniger. Die Vielfalt wird weniger.
Ich finde das traurig und erschreckend. Es geht ein Kulturgut verloren. Man kann hier keinen einzelnen „Schuldigen“ ausmachen, es ist ein Zusammenspiel aus ungünstigen Umständen, schädlicher politischer Entscheidungen, mangelndem Anforderungsprofil an unsere Ausbildungen und der jahrelange von uns selbst verschuldete Raubbau an unserem Ruf was die Mitarbeiter angeht.
Ich hoffe sehr dass sich einige Traditionsbetriebe halten können. Unserer zum Beispiel aus sehr eigennützigen Motiven, aber es gilt die Vielfalt und die Originalität unserer Branche zu erhalten.
Also bitte überlegt doch mal bevor Ihr Euch als Gast über den Preise beschwert, ob der wirklich so exorbitant hoch ist. Oder ob, wenn man mal 19% Mehrwertsteuer abgezogen hat, sich den Personalaufwand und die Qualität der Produkte genauer anschaut, hier nicht einfach sauber kalkuliert wurde.
Vielen Dank fürs Lesen.
Doris Reck-Hartmann
Oktober 2024
Rückblick 2023
Zum Jahreswechsel wird man ja immer ein bisschen nachdenklich - was ist letztes Jahr passiert, hat sich das Jahr so entwickelt wie man es erwartet hat, hat man überhaupt etwas erwartet vom Jahr oder sich überraschen lassen?
Wir als #teamreck sind in das Jahr 2023 gestartet mit der Corona Zeit im Rücken und der Hoffnung - oder besser Gewissheit - diese gut überstanden zu haben.
Wir waren uns sicher dass keine Schließungen mehr kommen werden und auch Einschränkungen, wenn es sie gegeben hätte, weniger einschneidend ausgefallen wären.
Ich glaube die Einschränkungen 2020 und 2021 und die Resonanz auf die Wiedereröffnung der Gastronomie haben gezeigt wie wichtig wir sind und dass die Schließung einer kompletten Branche ohne Grundlage im Nachhinein betrachtet nicht sinnvoll war. Aber hinterher ist man ja immer klüger.
Eigentlich hatten wir uns auf ein „normales“ Jahr gefreut. Eher ruhiges Wintergeschäft, dann bisschen Urlaub zu Fasching und danach möglichst schnell Vollgas in die Biergartensaison.
Wie so oft kam erstens anders und zweitens als man denkt.
Nach den Corona Jahren hat sich mein 11. Jahr in der Selbständigkeit überraschend wieder als sehr spannend dargestellt.
Im Februar habe ich mir beim Skifahren den Arm gebrochen. Eigentlich nicht weiter wild, die erste Prognose war: ein paar Wochen Unterarm Gips, einfacher Bruch, alles easy.
Ich bin vorher noch nie länger als einen Tag ausgefallen. Ich hab zwar schon jahrelang daran gearbeitet mich selbst ersetzbar zu machen, aber da der Betrieb sich so schnell verändert hat bin ich meinem Ziel immer hinterher gelaufen.
2022 hatte ich es aber zum Glück teilweise geschafft die Organisation vor allem im Büro und bei der Serviceleitung abzugeben. Somit waren die Strukturen dass ich ersetzbar bin in den Anfangszügen vorhanden durch meine beiden wertvollen Mitarbeiterinnen Carmen und Babs.
Wir sind also relativ entspannt in diese Situation gegangen, auch wenn natürlich die Aufregung dabei war weil wir diese Lage so nicht kannten.
Und: zu diesem Zeitpunkt waren wir noch der Meinung, ich könnte ja die meiste Zeit wenigstens vor Ort sein, wenn auch nicht richtig zupacken.
Was wir zu diesem Zeitpunkt noch nicht erwartet hatten: die Verletzungen stellten sich als komplizierter dar als auf den ersten Blick angenommen. In den ersten Wochen konnte ich aufgrund von zwei Operationen kaum im Betrieb sein und es mussten viele Abläufe umgestellt werden, an viele Kleinigkeiten gedacht werden die sonst schnell nebenbei passieren.
In den ersten Wochen hatten wir sogar einen Raum geschlossen um unseren gewohnten Service bieten zu können bis sich das Team neu sortiert hatte.
Schon an Ostern stand ich aber wieder in der Küche. Der frisch operierte Arm war auf einer hochkant stehenden Küchenrolle geparkt oder wurde von der gesunden Hand festgehalten. Und auch das hatte im Februar niemand erwartet oder prognostiziert: ich hatte zwar „nur“ einen Gipsarm, konnte aber die Hand und den Arm monatelang nicht im geringsten benutzen.
Mit der Zeit habe ich Übung bekommen beim Kochen ohne Töpfe heben, Flaschen oder Tetra Paks öffnen, mich zu organisieren ohne irgendetwas schneiden zu können.
Unterm Service Desserts anrichten, jeden Teller einzeln tragen, das hat wahnsinnig viel Zeit und Geduld gekostet. Türklinken und Schlüssel erwiesen sich als Problem.
Im Büro einhändig tippen und nicht mal selbst lochen können…. usw…..
Das alles war sehr gewöhnungsbedürftig für jemanden wie mich, der immer auf 120% läuft, plötzlich eingeschränkt zu sein und Aufgaben abgeben zu müssen.
Und dann: hat es geklappt. Es hat mich wahnsinnig stolz gemacht zu sehen wie der Betrieb läuft auch wenn ich nur einarmig zu Gange bin. Wie sich Dinge fügen, wie alle zusammen halten und sich unterstützen. Das war eine sehr wertvolle Erfahrung für mich und von den positiven Nachwirkungen, nämlich dass ich jetzt auch mal ersetzbar bin, profitiere ich enorm.
Nach endlosen vier Monaten und 8 verschiedenen Gipsformen habe ich im Juni wieder Wind und Wasser auf der Haut gespürt. Die Hand war steif und kraftlos und es hat weitere 4 Monate gedauert bis sie wieder ansatzweise das gemacht hat was sie soll.
Auch heute noch habe ich Schwierigkeiten und übe fleißig weiter bei der Physio um irgendwann auch wieder Pfannen heben oder Flaschen aufmachen zu können.
Wir haben dann einen Wahnsinns Sommer erlebt mit vielen Wochen Sonnenschein.
In dieser Zeit ist auch unser erstes Image Video entstanden, mit dem wir glaube ich ganz gut darstellen wer wir sind.
Nach dem Urlaub im August ging es mit der gleichen starken Belegung weiter wie im Sommer. Wir spüren dass die Reservierungsvorläufe länger werden. Wie schon 2022 hier im Blog mal angesprochen ist das eine Folge der Verknappung des Angebots.
Unsere Branche kämpft enorm mit Mitarbeitermangel.
Die Gastronomien, die es noch gibt, haben fast alle Öffnungszeiten verknappt um diesem Problem Herr zu werden. Eine Verknappung des Angebots heißt natürlich, dass Kapazitäten fehlen. Das spüren wir gerade enorm, gerade an Feiertagen sind wir oft Wochen im Voraus ausgebucht.
Viele Gastronomen fangen die Arbeitsbelastung selbst ab und das wird in Kürze auch zum Problem, wenn die Köpfe der Betriebe ausgelaugt sind.
Wir haben personaltechnisch gesehen auch Bedarf, gerade in der Küche ist es schwer überhaupt jemanden zu finden, geschweige denn jemanden mit Ausbildung.
Aber im Großen und Ganzen können wir stolz auf ein funktionierendes Team blicken.
Das liegt unter anderem auch an den verlässlichen Dienstplänen weil wir immer genug Mitarbeiter einplanen können um Krankheitsfälle auszugleichen und an der fairen Bezahlung.
Das kostet natürlich Geld und diese Kosten müssen vom Gast bezahlt werden. Darum sind wir nicht billig - aber überzeugt dass der Gast für sein hart verdientes Geld bei uns auch guten Service geboten bekommt.
Was wir auch spüren ist, dass die Anspruchshaltung höher wird. Der Gast geht nicht mehr aus um satt zu werden, sondern möchte auf allen Ebenen ein tolles Erlebnis.
Manchmal hat das auch die Nebenwirkung, dass der Ton rauer wird. Die „jetzt komme ich“ Mentalität wächst und gerade die Mitarbeiter im Service brauchen oft ein dickes Fell.
Wir lieben was wir tun und achten darauf, auch unsere jungen unerfahrenen Mitarbeiter mit Schulungen und Trainings fit zu machen für den Gegenwind, den manche - zum Glück wenige - Gäste mitbringen. Es ist uns ein Anliegen dass die sehr netten Gäste, die ja den Großteil ausmachen, nichts davon mitbekommen wenn wir uns über jemand anderen geärgert haben.
Was vielleicht auch mit der gestiegenen Anspruchshaltung zu tun hat ist der Zuwachs an
No Shows, das heißt reservierte Tische werden ohne Absage nicht in Anspruch genommen.
Das ist im Moment nur ärgerlich, könnte aber in Zukunft durchaus zu einem wirtschaftlichen Problem werden.
Ich wage vorauszusagen dass in unserer Branche gerade für die stark frequentierten Tage eine Vorauszahlung oder eine No Show Rechnung im Nachhinein üblich werden, und zwar nicht nur in der Sternegastronomie wo das ja heute schon der Fall ist, sondern auch im „normalen“ Gasthaus.
Auf 2024 blicken wir also wieder gespannt. Auch wenn ich vor noch nicht allzu langer Zeit immer gesagt habe „ich baue hier nichts mehr um“ reifen doch schon wieder ein paar Pläne. Auch organisatorisch könnten wir wieder mal ein paar neue Features einführen.
Aber ihr könnt Euch sicher sein: an erster Stelle steht ihr. Der Mittelpunkt unseres Handelns. Und trotz aller Schwierigkeiten sind wir uns sicher, wir dürfen in der schönsten Branche der Welt arbeiten.
Bleibt uns treu, wir freuen uns auf Euch!
Danke fürs Lesen.
Doris Reck-Hartmann
Herbst 2023 - Mehrwertsteuer
In der Branche gibt es kurz vor dem Jahreswechsel kaum ein anderes Thema mehr - die Beendigung der Mehrwertsteuersenkung.
Grund genug hier wieder einmal von der Seele zu schreiben, im persönlichen Blog eines ausgemachten Gastroholikers.
Kurz zur Erklärung:
"bis Corona" musste Essen, das im Sitzen bzw. im Haus verzehrt wurde, mit 19% versteuert werden, während zubereitetes Essen zum Mitnehmen oder im Stehen verzehrt mit 7% zu Buche schlug.
Das hat mitunter zu absurden Situationen geführt, zB zu Schildern in Eisdielen, die einzelne Kugeln von der Theke nicht am Tisch serviert haben - eben aufgrund dieser Schieflage.
Als schnelle und relativ unbürokratische Hilfe wurde im Zuge der Corona Pandemie entschieden alle zubereiteten Speisen mit 7% zu versteuern. Das hatte zur Folge dass wir einen Teil der fehlenden Umsätze (zur Erinnerung: unsere Branche wurde insgesamt 9 Monate pauschal zwangsgeschlossen) wieder kompensieren konnten als wieder Essen im Haus verzehrt werden durfte.
Diese Senkung war nie als Entlastung für die Gäste, sondern als Soforthilfe für eine ganze Branche mit fast 2 Millionen Beschäftigten gedacht.
Übrigens, das nur nebenbei: in Bayern stellt die Gastronomie und Hotellerie jeden 10. Arbeitsplatz. Also man kann durchaus von einem gelungenen Konjunkturprogramm sprechen.
Die Corona Pandemie ist zum Glück ausgestanden aber direkt darauf musste sich unsere schönste Branche der Welt, die im Ganzen betrachtet aktuell immer noch nicht zu alten Belegungszahlen gefunden hat, neu behaupten: die Inflation.
Wenn man unsere Hauptartikel betrachtet (Personal, Lebensmittel, Energie), so kommt man zu wesentlich höheren Inflationswerten als die 6-8%, die auf den gesamtdeutschen Warenkorb betrachtet im Moment so anfallen. Fachmedien sprechen von ca 30%, das kann ich aber nur nachplappern und nicht fundiert belegen.
Im letzten Jahr war die zusätzlich erwirtschafteten Erlöse, die aus der Senkung von 19 auf 7% resultieren, lebensnotwendig.
Ja, wir konnten Preissteigerungen durchsetzen. Die waren aber auch nötig, allein wegen der gestiegenen Kosten. Wir erwirtschaften branchenübergreifend ca 10-15% kalkulierten Gewinn, viele auch sehr viel weniger (wir auch). Wir sind damit weit entfernt von Margen wie sie beispielsweise im Handel üblich sind.
Unsere Branche ist personalintensiv - wir haben etwa 30-50 % Personalkosten. Wir mussten im Zuge der Inflation und des allgemeinen Personalmangels mit den Löhnen sehr ordentlich nach oben gehen, um die Mitarbeiter zu halten. Neue ausgebildete Mitarbeiter zu finden ist quasi unmöglich, darum ist es umso wichtiger die Mitarbeiter zu halten, die nicht in andere Branchen abgewandert sind.
Auch diese gestiegenen Kosten hat die gesenkte Mehrwertsteuer zum Teil aufgefangen und wir konnten viele Arbeitsplätze erhalten.
Nun soll also aufgrund der finanziellen Notlage des Bundes die Mehrwertsteuersenkung beendet werden.
Was heißt das für uns und für unsere Gäste?
Die Mehrwertsteuer ist ein durchlaufender Posten. Wir kalkulieren unsere Preise aufgrund der Kosten und des kalkulierten Gewinnes. Auf diesen Nettowert wird die Steuer aufgeschlagen.
Das heißt im Klartext: die Preise steigen um ca. 10-14 %. Wir haben keine andere Chance, da wir aufgrund unserer geringen Gewinnmarge gar nichts selbst auffangen können.
Was heißt das noch?
Die Ungerechtigkeit wird wieder hergestellt - Essen im Stehen, Fast Food usw. wird begünstigt während sozial wertvolle Gelegenheiten wie das Familienessen, die Feier bei uns und auch die Schul- und Kindergartenverpflegung teurer werden (müssen).
Und was heißt das noch?
Wir sind inzwischen in einem preislichen Bereich, wo Essen gehen nicht mehr Alltag, sondern etwas Besonderes ist. Wir müssen um uns weiterhin am Markt zu behaupten nicht nur „zufriedene“, sondern begeisterte Gäste verabschieden. Für uns ist das eine Herausforderung, der wir uns gerne stellen.
Wir sind inzwischen in einem preislichen Bereich, wo unsere Branche wieder mehr Wertschätzung erfährt. Unsere Leistung wird mehr anerkannt und nicht nur als immer verfügbare Dienstleistung gesehen.
Der Markt wird schmäler, viele haben während und nach Corona aufgegeben und auch jetzt werden wir uns leider wieder von einem Stück Vielfalt in der Gastronomie verabschieden müssen.
Das Resultat ist Verknappung des Angebots, was zur Folge hat dass Reservierungen weit im Voraus getätigt werden müssen. Auch das führt zu einer steigenden Wertschätzung.
Vielleicht schaffen wir in den nächsten Jahren in diesem Zuge auch den Sprung, dass unser Ruf wieder besser wird. Die Bezahlung und die Gestaltung der Arbeitszeiten sind schon länger sehr viel besser als es früher war. Die Branche hat Ihren schlechten Ruf in den vergangenen Jahrzehnten selbst verschuldet, das ist keine Frage, aber wir haben inzwischen attraktive Arbeitsplätze zu bieten und müssen das jetzt gelungen nach draußen kommunizieren.
Vielleicht schaffen wir es, dass der Schulabgänger bei passender Bezahlung und Arbeitsbedingungen auch die Gastronomie als attraktive Möglichkeit ernsthaft in Betracht zieht.
Unsere schönste Branche der Welt würde es verdienen, auch weiterhin von der gesenkten Mehrwertsteuer zu profitieren.
Aber unsere Bemühungen die Politik davon zu überzeugen sind allen Anschein nach gescheitert. Unsere Branche ist zu kleinteilig, zu weit verstreut, um geballt Lobbyarbeit leisten zu können. Auch wenn wir mehr als doppelt so viele Beschäftigte als die Automobilindustrie haben, können wir uns bei den Entscheiden kein Gehör verschaffen und werden nicht ernst genommen.
Die kurzsichtige Sichtweise dass die Steuererhöhung mehr Geld in die Kassen des Bundeshaushaltes spült könnte sich als Fehleinschätzung erweisen - denn ein Betrieb der schließen muss erwirtschaftet überhaupt keine Steuereinnahmen mehr und die Mitarbeiter, die Ihren Arbeitsplatz verlieren, tragen auch nicht zu einer positiven Bilanz bei.
Aber: die Entscheidung scheint so gut wie gefallen und so werden wir auch diese Herausforderung stemmen und stärker als je zuvor daraus hervorgehen.
Danke fürs Lesen.
Doris Reck-Hartmann
Herbst 2022
"Tut mir leid, wir sind ausgebucht"
Wir müssen uns in den letzten Monaten oft rechtfertigen warum wir ausgebucht sind. Und dass man uns telefonisch ja NIE erreichen könne, wir "hätten das wohl nicht mehr nötig".
„Das kann doch nicht sein“, „wegen Reichtum geschlossen haha“ oder ein sarkastisches „ja klar“ sind an der Tagesordnung.
Wenn das Telefon klingelt, kann man sich prinzipiell erstmal auf angemault werden einstellen. Oder halt einfach nicht mehr rangehen, an solchen Tagen ist eh keine Zeit zum Telefonieren. Der Anrufbeantworter kann diesen Spruch auch erzählen und Reservierungen für die kommenden Tage sowie Abholessen funktionieren ja auch wunderbar über die online Systeme.
Vielleicht wundert sich der ein oder andere warum dann trotzdem noch Tische oder sogar ganze Bereiche leer bleiben, aber zu jedem Platz und damit auch Gast muss eben auch die Arbeitskraft vorhanden sein um diesen ordentlich zu bedienen. Andernfalls folgt die Antwort postwendend per Bewertung im Internet.
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Ich kann schon erklären warum das so ist, hier das Rezept (übrigens im Sommer 2020 im Blog schonmal so ähnlich vorher gesagt)
- Man nehme eine Branche, die eh schon lange kein Selbstläufer mehr ist
- Man schließe diese Branche per Infektionsschutzgesetz und verweise auf Überbrückungshilfen und Kurzarbeitergeld
- Man wartet 7 Monate (beide Lockdowns zusammen sogar 9) bis garantiert einigen die Luft und / oder die Lust ausgegangen ist
- Man hat neben den Pleiten und Geschäftsaufgaben den Nebeneffekt, dass diese Branche aufgrund der Unsicherheit noch unattraktiver für Mitarbeiter wird als sie eh schon war.
Als Ergebnis hat man zwar ein paar übrig gebliebene, gesunde Betriebe, die aber allesamt Ihre Kapazitäten nicht ausschöpfen können weil sie zu wenig Mitarbeiter haben. Also werden Ruhetage ausgeweitet, Schliesszeiten verlängert und freie Plätze nicht besetzt.
Und - schwuppdiwupp - ist die Nachfrage größer als das Angebot.
Gerade die Zeiten in denen der Mensch gern Essen geht und feiert sind übrigens auch die Zeiten, in denen kaum jemand gern arbeitet. Damit meine ich die Abende, die Wochenenden, die Nächte. Und da die Mitarbeiter unser heiligstes Gut sind und wir Wunscharbeitszeiten bieten müssen um unsere Leute zu halten werden wir in Zukunft diese Zeiten nicht mehr wie bisher abdecken können.
Wir können nicht mehr als arbeiten. Qualität vor Quantität. Und voll ist voll, ist im Kino nicht anders.
Liebe Gäste, kümmert Euch um Eure „Eintrittskarte“, sprich Reservierung, genau so frühzeitig wie für andere Events. Wir wissen, das ist nervig und es geht Spontanität verloren. Wir empfangen jeden einzelnen sehr, sehr gern, aber wenns nicht klappt - bitte mault uns nicht an. Wir tun was wir können, wir arbeiten gern und verdienen unseren Lebensunterhalt indem wir Euch empfangen. Aber sicherlich schicken wir niemanden weg weil wir das "nicht mehr nötig" haben. Und wenn Ihr seht dass alle rennen und sich Mühe geben und es vielleicht nicht ganz so rund läuft wie sonst: habt ein bißchen Verständnis, wahrscheinlich gabs krankheitsbedingte Ausfälle die nicht mehr aufgefangen werden konnten.
Ich wage noch eine Vorhersage für 2025:
Die Tischreservierung mit Anzahlung per Kreditkarte wird - wie heute bei Mehrsternern schon normal - auch in der „normalen“ Gastronomie nichts Ungewöhnliches mehr sein.
Die Preise in der Gastronomie werden noch um mindestens 30 Prozent steigen, da wir Mitarbeiter nur über sehr hohe Löhne generieren und halten werden können.
Und vielleicht kommt es wirklich noch so weit, dass die Systemgastronomien, zB. in den großen Möbelhäusern, Eure Familienfeiern durchführen weils für die Wochenenden nicht genügend Gastronomiebetriebe und Caterer mehr gibt.
Danke fürs Lesen.
Doris Reck-Hartmann
Sommer 2022
Die Gastronomie verändert sich
Zweieinhalb Jahre sind vergangen, seitdem unsere Welt auf den Kopf gestellt wurde.
Corona hat sich zu einem ständigen, etwas nervigen, aber irgendwie akzeptierten Begleiter entwickelt und ich will hier heute auch gar nicht weiter darauf eingehen.
Die vergangen zweieinhalb Jahre waren zum einen geprägt von dem „Hier und Jetzt“, also mit welchen Maßnahmen führt man den Betrieb durch die schwierige Zeit, welche Geschäftsfelder werden erschlossen, was kann funktionieren, auf was soll man sich konzentrieren?
Wir haben mit dem Abholessen und dem Webshop, ergänzt durch die staatlichen Corona Hilfen und die Kurzarbeit einen Weg gefunden um unser Überleben und unsere Arbeitsplätze zu sichern und sind im Nachhinein sehr froh und stolz das geschafft zu haben.
Der andere große Brocken war das „Wie kann es weitergehen“, also wie kann man den Betrieb für die Zukunft nach Corona rüsten? Wie viel Geld kann - darf - soll man investieren um zukunftsfähig zu sein? Welche Massnahmen kann man überhaupt ergreifen?
Das alles war kaum planbar und ein Stochern im Nebel. Ich erschrecke im Nachhinein immer noch selbst über meinen Mut, diese immense Investition „Modernisierung“ durchgezogen zu haben, deren Ergebnisse zum Teil offensichtlich sind, aber vieles entfaltet sich auch für den Gast unsichtbar hinter den Kulissen. Es war der richtige Schritt zur richtigen Zeit und wir sind froh diese Verbesserungen in unserem Betrieb zu haben.
Was mir jetzt am Herzen liegt ist über die Entwicklungen in der schönsten Branche der Welt zu schreiben.
Vor zwei Jahren noch habe ich geschrieben „Die Gastronomie stirbt“. Inzwischen bin ich anderer Meinung, zum Glück! Ich würde heute sagen „Die Gastronomie verändert sich“
Die vergangenen Monate und Jahre haben in vielen Gastronomen persönlich und in der Branche etwas verändert. Wie immer bei Veränderungen gibt es zwei Seiten der Medaille.
Viele Betriebe haben es nicht geschafft. Die Gastronomie hat einen Teil Ihrer Vielseitigkeit, Ihrer Liebenswürdigkeit, Ihrer Kreativität, Ihrer Buntheit verloren. Kleine, inhabergeführte Betriebe, Läden weit draußen auf dem Land, getränkegeprägte Gastronomie und viele andere konnten dem Druck durch Corona nicht standhalten und mussten aufgeben. Die meisten sind unwiderbringlich verloren und mit Ihnen Ihre Originalität und Ihre Erfahrung.
Viele wertvolle Mitarbeiter haben die Branche verlassen, weil die Unsicherheit einfach zu groß war.
Manche Dinge haben Ihre Leichtigkeit verloren.
Aber es gibt auch die „Überlebenden“. Aber auch Sie können noch nicht abschließen und zur Normalität zurück finden. Sie befinden sich immer noch im Wandel und stehen neuen, immensen Herausforderungen gegenüber, obwohl Sie oft mit den Corona Herausforderungen noch nicht ganz durch sind.
Es hat sich was verändert. Wir haben irgendwie zu einem neuen Selbstwertgefühl gefunden. Wir wissen inzwischen, dass wir wichtiger sind als meistens angenommen und dass wir mehr wert sind als wir selbst denken.
Wir sind Dienstleister aus ganzem Herzen, wissen aber inzwischen auch dass auch wir Grenzen aufzeigen dürfen und uns nicht alles gefallen lassen müssen.
Wir haben gelernt, dass wir auf uns selbst achten müssen. Dass wir zwar gern und viel arbeiten, aber auch das Recht auf eine etwas andere work-life-balance haben, auch wenn wir das Wort hassen.
Die schönste Branche der Welt ist Begleiter Eurer aller Leben. Wir sind immer dabei, in ganz unterschiedlichen Formen.
Wichtige Anlässe wie alle kirchlichen Feiern und Geburtstage,
vermeintlich unwichtige Anlässe wie das versprochene Eis beim Familienausflug, das traditionelle Sonntagsessen, die Besprechung mit Geschäftspartnern, die traditionelle Mass Bier auf der Kerwa,
alltägliche Begleitung wie das Kindergarten- und Schulcatering oder der Coffee To Go am Morgen,
Erfahrungen die man nie vergisst wie durchtanzte Nächte im Club, das erste selbst verdiente Geld beim Studentenjob oder die erste Knutscherei in der dunklen Kneipenecke - wir sind dabei.
Man muss sich als Gastronom manchmal vor Augen halten dass man am selben Tag eine Taufe und eine Beerdigung begleiten darf. Wir sind die Orte, die wichtig für Euch sind!
Dieses neue Selbstbewusstsein kommt nicht überall gut an. Es stößt auf Unverständnis wenn wir bestimmte Dinge durchziehen - Veranstaltungen nicht machen, Öffnungstage reduzieren, Bereiche schließen weil diese aufgrund von Personalmangel nicht optimal bewirtet werden können.
Aber es ist wichtig und richtig sich nicht unter Wert zu verkaufen und auf Qualität statt Quantität zu achten.
In vielen vielen anderen Branchen sind Dinge selbstverständlich, die wir (noch) nicht oder nur mit damit verbundener Rechtfertigung durchziehen können.
Es ist ganz normal dass man mit einer Theaterkarte einen Platz bucht - aber wenn wir leer bleibende Plätze (durch No Show oder bei Veranstaltungen durch den Wunsch nach einem Raum allein) in Rechnung stellen sorgt das für Empörung.
Es ist ganz normal dass Dienstleistungen im Handwerk am Wochenende teurer sind - aber von uns wird erwartet, dass wir die Dienstleistung an allen Wochenenden, an allen Feiertagen zur Verfügung stellen und das möglichst günstig. Aufschläge an Wochenenden sind absolut nicht durchsetzbar. (Jetzt kommt immer das Argument: „Ihr wusstet ja was Ihr für einen Job macht“ - das rechtfertigt aber nicht die Tatsache, dass die Arbeitszeit des Kochs am Sonntag weniger wert sein soll als die des Klempners)
Dieses neue Selbstwertgefühl hat nichts mit Überheblichkeit zu tun. Es ist immer noch von Respekt und Dankbarkeit gegenüber dem Gast geprägt. Aber ein Teil der ungesunden Demut hat sich verabschiedet.
Nun stecken wir mitten drin in Herausforderungen, die wir genau wie Corona so niemals erwartet hätten.
Die Preissteigerungen bei unseren drei größten Kostenblöcken - Lebensmittel, Personal und Energie - übertreffen unsere schlimmsten Befürchtungen und wir müssen sehr, sehr genau und mit spitzem Bleistift rechnen.
Was oft nicht im Bewusstsein der Gesellschaft verankert ist:
auch wir führen Betriebe, sichern den Lebensunterhalt unserer Mitarbeiter, sind wichtige Glieder in regionalen Lieferketten, sind Steuerzahler und haben Verantwortung in der Gesellschaft. Wir MÜSSEN betriebswirtschaftlich sinnvoll arbeiten und können Preissteigerungen nicht einfach selbstlos ignorieren.
Wenn ein Konzern Gewinne ausweist bekommt er ein anerkennendes Schulterklopfen, ein Gastronom bekommt ein verächtliches „Ihr verdient Euch ja eine goldene Nase“.
Der Mitarbeitermangel in der Branche ist immens. Es gibt kaum einen Betrieb, der nicht schon die absolute Notbremse gezogen hat, nämlich Öffnungszeiten oder Kapazitäten einschränken.
Zum Teil ist das natürlich hausgemacht, ganz klar. Jahrzehntelanger Raubbau an der wichtigsten Ressource Mitarbeiter hinterlässt seine Spuren. Ein anderer Faktor war sicherlich Corona. Unsere Mitarbeiter sind so tough, so vielseitig, so flexibel einsetzbar, haben so immens viele "Soft Skills", dass sie überall mit Handkuss genommen werden. Und viele haben diese Flucht während der langen Kurzarbeitszeit genutzt und werden wohl so schnell auch nicht wiederkommen. Außerdem fehlt der Nachwuchs und solange die Berichterstattung überall und die Berufsberatungen kein besseres Bild von unserem wunderschönen Beruf zeichen, wird sich das auch nicht ändern.
Aber die Branche ist besser als ihr Ruf. Unser wunderschöner Beruf kann inzwischen mit sehr viel besseren Arbeitsbedingungen aufwarten als so manch anderer. Ein Nebenjob, eine Ausbildung in der Gastronomie bereitet einen jungen Menschen besser auf das Leben vor als irgendetwas anderes.
Ich spreche hier für meinen Betrieb wenn ich sage:
Meine Mitarbeiter werden keine Millionäre, können aber problemlos Ihren Lebensunterhalt bestreiten. Meine Mitarbeiter haben ungewöhnliche Arbeitszeiten, können diese aber mitbestimmen. Meine Mitarbeiter haben oft lange Tage, feiern diese aber genau so gern wieder ab. Meine Mitarbeiter bekommen Anerkennung und Wertschätzung und leben für den Dienst am Gast. Meine Mitarbeiter lieben Ihre Jobs!
Wir erwarten die kommenden Monate, die von Mitarbeiterengpässen, ungewisser Preisentwicklung und vielleicht auch wieder Einschränkungen durch Corona geprägt sein werden und wissen doch ganz genau, dass wir nichts anderes machen wollen würden.
Es bleibt spannend.
Danke fürs Lesen!
Doris Reck-Hartmann
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Sommer 2021
Gastronomie nach dem Lockdown
6,5 Monate geschlossen - von November 2020 bis Mitte Mai 2021 - und nun?
Ende Oktober hat die Regierung den „Lockdown Light“ beschlossen. Ohne jede Grundlage in Bezug auf Hygienekonzepte oder Ansteckungsgefahr wurden ganze Branchen ausgeknipst. Was zuerst für 4 Wochen angesetzt war, hat am Ende mehr als ein halbes Jahr gedauert.
Wir haben Woche für Woche auf ein Zeichen gewartet, haben Woche für Woche ein bißchen mehr Mut verloren und uns irgendwann ertappt, schon gar nicht mehr an eine Öffnung zu glauben.
Die wichtigen Umsatzbringer Weihnachtszeit, Jahreswechsel, Ostern etc sind verstrichen und für die Gastronomie unwiderbringlich verloren.
Vollmundig angekündigte Hilfen sind durchaus geflossen. Im November und Dezember die völlig aus der Luft gegriffene umsatzbasierte Gieskannenhilfe, später dann die detailliertere und auch sehr viel sparsamere Überbrückungshilfe 3.
Viele Betriebe haben inzwischen den Kampf aufgegeben, konnten die Hilfen nicht beantragen oder haben aus verschiedenen Gründen nichts bekommen. Wer sich auf die Überbrückungshilfe 3 verlassen hat musste schnell feststellen, dass die zum Erhalt des Betriebes bei Weitem nicht ausreicht. Bei manchen kamen persönliche Gründe wie das Alter, Investitionsstau und fehlender Nachwuchs hinzu, bei anderen hat der Personalmangel das Zünglein an der Waage ausgemacht.
Nach zwei Monaten Öffnung unter Corona Auflagen können wir folgendes, nicht besonders überraschendes Fazit ziehen:
Ohne Aussenbereich oder bei schlechtem Wetter lässt sich unter Einhaltung der Regeln kaum wirtschaftlich arbeiten. Viele Menschen sind auch trotz Abstand und Lüftung noch nicht bereit, die Innengastronomie zu nutzen und so bleiben wir auf vielen Reservierungen sitzen, weil spontan entschieden wird „wir sind zwar doppelt geimpft, aber drinnen wollen wir dann doch noch nicht sitzen“ - unter Umständen können diese Plätze dann nach erfolgten Absagen an andere Gäste auch nicht mehr belegt werden.
Das Arbeiten mit Maske über viele Stunden hinweg sogar im Aussenbereich bringt die Mitarbeiter an Ihre Grenzen.
Das Warten auf die Impfung ohne Priorisierung trotz unserer vielen Gästekontakte zermürbt und hat uns wie schon der Lockdown Light unseren Stellenwert in der Gesellschaft verdeutlicht.
Die Kontaktverfolgung - sofern man Sie als Gastgeber verantwortungsvoll durchführt und nicht komplett der Selbstverantwortung des Gastes überlässt - bindet wahnsinnig viel Arbeitskraft, die an anderer Stelle fehlt und natürlich bezahlt werden muss.
Die Betriebe, die jetzt wieder offen haben…..
….. können nicht nur Gastgeber und Koch, sondern auch Betriebswirtschaft, da Sie in den vergangenen Jahren so gewirtschaftet haben, dass Sie die Krise bisher Blotrotz der mageren Überbrückungshilfe 3 überstehen konnten.
….waren kreativ, offen für Neues, fleißig und erfinderisch. Sie haben im Lockdown Ihr Geschäft neu erfunden, komplett neue Geschäftsideen und -zweige aufgebaut und so Ihren Mitarbeitern die Jobs gesichert. Sie sind im Gespräch geblieben und haben die Gästebeziehung gepflegt, haben kommuniziert und Zuversicht verbreitet und das trotz der enormen Belastung durch die Zwangsschließung.
….. haben offensichtlich im Bereich Mitarbeiterführung und auch beim Thema faire Bezahlung ganze Arbeit geleistet, da Ihre vielseitig begabten, flexiblen und motivierten Mitarbeiter nach monatelanger Kurzarbeit (oder bei den Minijobber sogar monatelanger Pause komplett ohne Entschädigung) eben NICHT in andere Branchen abgewandert sind.
…und sogar die Zeit genutzt und investiert haben sind mutig, vorausschauend und glauben an Ihre beste Branche der Welt. Vorwürfe in Bezug auf „da sind die Hilfen geflossen“ sind unfair und verletzend, denn hier wird von engagierten Unternehmern in die Region, in Arbeitsplätze und selbstbestimmte Zukunft investiert.
…und die an Ihren Ruhetagen und Ihrem Betriebsurlaub festhalten sind nicht „reich“, sondern haben verstanden dass Höchstleistung nur von einem gesunden, intaktem Team erreicht werden kann. Zudem halten Sie sich an die Bestimmungen des Arbeitszeitgesetzes und gewähren Ihren Mitarbeitern nach der Kurzarbeit Ihren wohlverdienten Urlaub.
…. sind keine Bittsteller an die Gesellschaft. Wir sind Dienstleister und mit ganzem Herzen in der schönsten Branche der Welt tätig. Aber wir haben Öffnungszeiten, bestimmte Kapazitäten und Regeln, an die sich Gäste halten müssen, auch wenn „wir froh sein können dass wieder jemand kommt“. Corona Regeln werden von verantwortungsbewussten Betrieben eingehalten, aber nicht erfunden um den Gast zu ärgern. Das enorme Anspruchsdenken gepaart mit Verweigerung gegenüber den uns auferlegten Corona Bestimmungen steht an der Tagesordnung und so manche Diskussion ist unnötig und raubt Gastgebern und Mitarbeitern die Lust an der schönsten Branche der Welt.
Wir sind gern weiter für Euch da und hoffen auf einen „normalen“ Herbst und Winter. Es bleibt spannend.
Doris Reck-Hartmann
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Frühling 2021
Wieder vorab: ich spreche für die Gastronomie, natürlich sind auch andere Branchen genauso oder noch mehr betroffen. Und: wir sind keine Schwurbler. Wir nehmen die Pandemie ernst und unsere sowie Eure Gesundheit steht bei uns im Haus an erster Stelle.
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Warum steht Ihr Gastronomen nicht auf? Warum haltet Ihr nicht zusammen und organisiert Euren Widerstand? Warum lasst Ihr Euch diese Ungleichbehandlung gefallen?
...das werden wir im Moment oft gefragt...
Ja, warum steht die große Branche Gastronomie mit Ihren 2,2 Millionen Beschäftigten nicht zusammen und wehrt sich gegen das Sonderopfer, welches wir für andere Branchen bringen? Warum machen wir nicht größeren Druck gegen die lange Zwangsschließung, wir könnten doch alle Anforderungen erfüllen, die auch andere geöffnete Branchen erfüllen können?
Warum wird von der Politik die Tatsache ignoriert, dass die Zahlen im November und Dezember im „Lockdown Light“ in die Höhe geschnellt sind?
Wir können Hygienemassnahmen zuverlässig umsetzen, wir können soziale Treffen sicher organisieren und auch die Kontaktverfolgung garantieren.
Warum fällt anscheinend keinem auf, dass wir nicht das Problem, sondern Teil der Lösung sind?
Ich habe mit vielen Kollegen gesprochen und bin zu der Erkenntnis gelangt:
Wir sind müde. Wir sind ausgelaugt. Wir strampeln seit einem ganzen Jahr und versuchen das Beste draus zu machen, aber irgendwann wird auch der größte Optimist zum Realist.
Wir (und auch die Kultur und Freizeitbranche) sind Opfer einer politischen Entscheidung, damit andere Branchen öffnen können. Das Infektionsgeschehen wird nicht detailliert betrachtet, es werden ganze Wirtschaftszweige mit dem Vorschlaghammer der Zwangsschließung bedacht.
Wir haben nun den sechsten Monat (seit 12 Monaten) unser Kerngeschäft geschlossen und die Kollegen unter uns, die Ihr Geschäft in Zukunft noch sehen hangeln sich mit mega Ideen wie To Go, Kochboxen, Webshops, virtuellen Dinnern und Live Online Kochshows von Monat zu Monat.
Viele (wir auch) investieren in die Zukunft, bringen Ihre Betriebe auf Vordermann und gehen so ein riesiges finanzielles Risiko ein, einfach weil Ihr Herz und Ihre Zukunft an diesen Läden hängt.
Andere, die beispielsweise ein gewisses Alter erreicht haben, bei denen es sowieso schon Probleme im Betrieb gab oder die vielleicht auch einfach aufgrund Ihrer Lage oder der Struktur Ihres Betriebes nicht in der Lage sind Alternativlösungen zu finden sterben auf Raten. Lebenserhaltende Massnahmen wie die verschiedenen Überbrückungshilfen sind gut gemeint, aber viele Betriebe fallen durchs Raster und auch von Lebenshaltungskosten für Unternehmer ist nie die Rede.
Wir sind keine Querdenker - der größte Teil der Gastronomen versteht die Massnahmen. Es müssen Kontakte reduziert werden und natürlich finden bei uns Kontakte statt.
Aber: es kann nicht sein, dass bei uns sichere Kontakte nicht stattfinden und an unkontrollierbare Orte verlagert werden, während an ganz vielen Orten die Maskenpflicht als Massnahme völlig ausreichend ist.
Wäre es nicht viel sinnvoller, Schließungen an Hygienekonzepte zu koppeln anstatt an kompletten Branchen und Bereichen?
Wir Gastronomen, Köche, Servicekräfte, Hoteliers, Barkeeper usw sind 100 Prozent Menschen und leben und lieben unsere Arbeit!
Wir sind alle Workaholics, sonst könnten wir diese Jobs gar nicht machen.
Uns wird gerade die Energie ausgesaugt. Viele von uns sind nicht wieder zu erkennen und dümpeln in Kurzarbeit, Arbeitslosigkeit oder Ihrem Alternativgeschäft vor sich hin, ohne von der Politik irgendeine Perspektive auf Ihren geliebten Job zu bekommen.
Das macht mürbe.
Wir warten auf eine kleine Mini Perspektive. Wir werden viele, viele Vorgaben erfüllen müssen, die allesamt Vorarbeit und Investitionen erfordern, also bitte gebt uns ein kleines bisschen Planungssicherheit!
Lasst uns arbeiten! Lasst uns unsere Mitarbeiter zurück holen, bevor die in andere Branchen abgewandert sind! Lasst uns unseren Lebensunterhalt mit dem verdienen, was uns erfüllt! Und wenn Öffnungen im Raum stehen, dann lasst uns unsere Betriebe bitte so öffnen, dass es auch wirtschaftlich sinnvoll ist.
Doris Reck-Hartmann
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2020 - ein Jahr voller Herausforderungen. Ein kleiner Rückblick.
Ende 2020 - Lockdown
Ein sehr persönlicher Blog Teil 2
Die Gastronomie stirbt auf Raten.
Ich spreche nur für diese Branche, denn da kenn ich mich aus, bei anderen sieht es genauso oder schlechter aus.
Und auch unsere Branche ist natürlich nicht homogen, bei vielen Kollegen mit Hotels / Veranstaltungsschwerpunkt / städtischer Lage etc ist die Lage wieder etwas anders.
Wir als Landgastronomie in Stadtnähe „jammern auf hohem Niveau“ - wir haben eine tolle Stammkundschaft, die uns nach Kräften unterstützt, vielen Dank dafür!
Mit unseren coronabedingten Ideen (Webshop mit Fertigessen, geänderte Öffnungszeiten, Abholspeisekarte mit Onlinebestellfunktion) schaffen wir es einen Teil unserer normalen Umsätze zu generieren und zusammen mit staatlichen Hilfen wie Kurzarbeitergeld werden wir die Krise überstehen, das ist sicher.
In 2020 hatten wir nun 4 komplette Monate unser Haus geschlossen. Januar und Februar sind jedes Jahr die schwächsten Monate (darum hatten wir im Februar auch für eine große Modernisierungsmassnahme geschlossen) und in den geöffneten Sommermonaten konnten wir zwar arbeiten, hatten aber durch die Abstandsregeln und die Hygienemassnahmen hohe (Personal-)Kosten und im Innenbereich auch massive Umsatzeinbußen.
Alles in allem - ein anstrengendes, nervlich aufreibendes, verlorenes Jahr, dass vielen Mitarbeitern in der Gastro den Job und vielen Selbständigen Ihren Betrieb nehmen wird.
Wir haben im Frühjahr die Soforthilfe in Anspruch genommen und nach 4 Monaten auf Heller und Pfennig unaufgefordert zurück gezahlt.
Wir nehmen auch jetzt die Novemberhilfe, die ja in der Kritik steht, in Anspruch und sind dankbar dafür. Wir und auch kein anderer Betrieb stößt sich an dieser umsatzbasierten Unterstützung gesund so wie es in den Medien zum Teil zu lesen ist, nicht nach diesem Jahr, das kann ich Euch versichern!
Und warum müssen wir eigentlich Hilfen in Anspruch nehmen und dürfen unser Geld nicht selbständig verdienen, so wie es unser größter Wunsch wäre?
Die Gastro und Kulturbranche hat nun wieder seit fast 8 Wochen geschlossen - seitdem gibt es keine nennenswerte Änderung an den Zahlen, im Moment steigt die Inzidenz sogar.
Verwunderlich? Nein!!
Wir hatten gute Hygienekonzepte. Die Hygiene in der Gastro ist sowieso auf einem hohen Niveau, auch wenn es wie überall mal schwarze Schafe gibt.
Wir hatten Verantwortung für unsere Mitarbeiter und Gäste, die wir ernst genommen haben, ganz einfach weil wir darauf angewiesen sind dass die Gäste auch ein zweites und drittes Mal wiederkommen und die Mitarbeiter gesund bleiben.
Wir hatten strenge Regeln bezüglich der Kontakte und der Kontaktverfolgung, die wir auch kontrolliert und durchgesetzt haben. Man darf stark bezweifeln ob diese Kontrolle bei geselligen Kontakten im Moment auch stattfindet.
Wir haben viel Zeit, Geld und Mühe investiert in Datenspeicherung, Mitarbeiterschulungen, Einhaltung der Abstandsregeln, digitale Speisekarten, Desinfektion, etc…. Und ich kenne keinen einzigen Kollegen, bei dem eine Infektion oder der Verdacht einer Infektion stattgefunden hätte.
Werden durch die Schließung von Gastro und Kultur Kontakte verringert, wie es dringend notwendig ist? Nein! Die Kontakte werden nur in unkontrollierbare Bereiche verlagert, denn der Mensch ist ein Herdentier und trifft sich mit seinen Liebsten, egal wo.
Trotzdem besteht für uns nicht die geringste Hoffnung, dass wir bald wieder öffnen dürfen. Wir sind ein Bauernopfer. Wir haben „nur“ 2,2 Millionen Beschäftigte und machen einen winzigen Teil des Bruttoinlandsprodukts aus, darum tut es am wenigsten weh wenn man auf uns verzichtet.
Auch die umsatzbasierte Novemberhilfe ist aufgrund der niedrigen Umsätze in der Gastronomie für die Regierung zu verschmerzen.
Realistisch betrachtet hoffen wir darauf, an Ostern wieder für Euch da zu sein und wir hoffen darauf, bis dahin auch noch ein funktionierendes Team zu haben - denn Gastro ist wie Fussball, unsere Leistung ist eine Teamleistung und wenn monatelang nicht zusammen trainiert wird kann man nicht gleich wieder Bundesliga spielen.
Zudem kann man es auch keinem dieser tollen Gastromitarbeiter mit tausend Talenten, Soft Skills und Fähigkeiten wie Multitasking und Stressresistenz verübeln, wenn Sie in dieser Zeit der schönsten Branche der Welt den Rücken kehren uns sich Ihr Brot woanders verdienen - gefragt sind Gastros allemal.
Wir für unseren Teil treten jetzt die Flucht nach vorne an.
In der Planung steht eine große Modernisierungsmassnahme im Aussenbereich, die uns in den Sommermonaten ein einigermaßen wetterunabhängiges Geschäft sichern soll.
Außerdem werden wir am und im Haus Änderungen vornehmen, die uns dabei helfen die Abstandsregeln einzuhalten und trotzdem die Belegung zu generieren, die wir für wirtschaftliches Arbeiten benötigen - denn dass uns die Abstandsregeln noch ein paar Monate oder Jahre bleiben ist für mich sicher.
Wir werden viel Geld in die Hand nehmen und ein wirtschaftliches Risiko eingehen - in der Hoffnung, dass Deutschland MIT dem Virus leben lernt, Bereiche geöffnet werden die die Hygieneregeln einhalten (auch wenn das eine geringere Belegung bedeutet) und solche geschlossen werden, wo das eben nicht klappt und wir somit das Infektionsgeschehen ohne das Opfern ganzer Wirtschaftszweige unter Kontrolle behalten.
2021 wird nicht sehr viel einfacher werden als 2020 - Wir zählen auf Eure Unterstützung!
#wirschaffendas #wirliebentrotzdemwaswirtun #teamreck
Doris Reck-Hartmann
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